Als wir im Frühjahr 2015 in Limones, einem Ort im Süden Quintana Roos, arbeiteten, bekamen wir überraschenden Besuch: Die damalige Vorsitzende des DIF Bacalar, Rossina Castillo, hatte von unserer Arbeit gehört und wollte uns kennenlernen. Gemeinsam mit zwei Mitarbeiterinnen brachte sie auch Patienten aus schwer erreichbaren Dörfern zu uns. Nach einigen Gesprächen beschlossen wir, 2016 gemeinsam einen Einsatz zu organisieren. Dieser war sehr erfolgreich, daher bauen wir seitdem die Zusammenarbeit weiter aus und kooperieren außerdem mit den DIFs in Felipe Carrillo Puerto und Kantunilkin.
Das DIF (Sistema Nacional para el Desarrollo Integral de la Familia) ist eine staatliche Organisation der Sozialfürsorge. Mit dieser Partnerschaft erfüllen wir auch den Wunsch des Bischofs von Quintana Roo, Monsignore Pedro Pablo Elizondo, der uns gebeten hatte, eng mit lokalen Institutionen zu kooperieren. Inzwischen blicken wir auf 3 Jahre Zusammenarbeit zurück.
Was ihnen diese Kooperation bedeutet, erklären in dem Interview P. Bennet Tierney LC, der Gründer und internationale Leiter von Medical Mission Network, Dr. Juan Pablo Aguilar Mendoza, der medizinische Leiter für Mexiko, und Benita Caamal, die Projektkoordinatorin des DIF.
Können Sie beschreiben, wie die Zusammenarbeit abläuft? Wer trägt was bei, wie ergänzen Medical Mission Network und DIF einander?
Dr. Juan Pablo Aguilar Mendoza: Was das DIF vor allem beiträgt, ist eine gute Kenntnis der Orte. Keiner unserer Ärzte hat vorher in dieser Region gelebt, und als wir angefangen haben, in Bacalar zu arbeiten, brauchten wir Helfer, die sich hier sehr gut auskennen. Dank der Hilfe des DIF wissen wir, in welchen Dörfern die Not besonders groß ist und wo die Menschen am meisten Unterstützung brauchen.
Außerdem steuert das DIF materielle Mittel bei, z. B. Fahrzeuge für den Transport und Essen, stellt Fahrer für uns zur Verfügung und sorgt etwa dafür, dass in den Dörfern Behandlungsräume für uns vorbereitet sind. Für uns ist das großartig, denn wir können uns ganz auf unsere medizinische Arbeit konzentrieren. Da das DIF uns auch Einiges an Kosten abnimmt, können wir mehr Medikamente besorgen. Die Arbeit mit dem DIF hat sich sehr gut eingespielt. An einem normalen Arbeitstag können wir mehr als 100 Patienten sehen, aber das kann nur deshalb so reibungslos ablaufen, weil wir uns um die organisatorischen Dinge nicht kümmern müssen.
Benita Caamal: Wir sind sehr froh darüber, dass Medical Mission Network hier den Bedürftigen hilft. Es gibt hier viele Menschen, die medizinische Hilfe brauchen, aber sonst wenig Zugang dazu haben. Diese Leute wollen wir erreichen. Wir nehmen vor den Einsätzen in den Dörfern immer Kontakt zum Bürgermeister oder anderen Leuten auf, die dort jeden kennen und uns sagen können, wer besonders viel Hilfe braucht. Es wäre ja nicht der richtige Weg, einfach loszufahren und zu schauen, was auf uns zukommt. Die Hilfe, die Medical Mission Network auf diese Weise gibt, ist daher viel zielgerichteter als die Unterstützung, die die örtlichen Gesundheitszentren geben können. Viele könnten ohne Medical Mission Network gar keine Hilfe bekommen, weil sie sich keine Medikamente oder Untersuchungen leisten könnten. In den Dörfern werden die Mitarbeiter des DIF oft gefragt, wann Medical Mission Network wiederkommt, wann die Ärzte aus Deutschland kommen. Alle wünschen sich, dass die Ärzte auch in ihre Dörfer kommen. Leider kann man bei einem zweiwöchigen Einsatz nicht sämtliche Dörfer in der Region besuchen, da muss man eine Auswahl treffen.
P. Bennet Tierney: Natürlich haben dann die Dörfer Priorität, in denen der Bedarf besonders hoch ist. Ohne eine Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen und Organisationen könnten wir diese nicht erreichen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass das DIF sich so sehr für unser Projekt und unsere Kooperation einsetzt. Bei den internationalen Einsätzen haben wir vielleicht 30 Teilnehmer und dieselbe Anzahl an DIF-Mitarbeitern, die sich um alles kümmern, und zwar mit viel Hingabe. Die Vorbereitung solcher Einsätze ist sehr zeitaufwendig, und es ist für uns eine große Entlastung, dass wir diese Unterstützung bekommen. Für uns ist es aber auch wichtig, dass wir nur mit Organisationen zusammenarbeiten, die unseren Code of Conduct respektieren. Mit dem DIF haben wir auf jeden Fall eine gemeinsame Wertebasis.
Da Sie über den Code of Conduct sprechen: Dieser legt die Werte und Ziele von Medical Mission Network fest …
P. Bennet Tierney: Unsere Arbeit basiert auf Werten, die auch in der Sozialdoktrin der Kirche verankert sind. Dazu gehören Solidarität und Subsidiarität. Das bedeutet für uns: Wir wollen dazu beitragen, dass das Grundbedürfnis nach medizinischer Versorgung erfüllt werden kann. Denn wir haben die Verpflichtung, für Menschen zu sorgen, die das selbst nicht können. Und zwar ohne Ansehen der Person, egal, welcher Religion jemand anhängt, welche politischen Überzeugungen er hat.
Gleichzeitig ist es für uns wichtig, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: Deshalb war es nie unser Ziel, nur mit Ärzten aus dem Ausland in Mexiko Einsätze durchzuführen. Wir wollten auch eine starke lokale Organisation aufbauen, die in der Region verankert ist und das Projekt selbst in die Hand nimmt. Mittlerweile ist uns das gelungen, und die Partnerschaft mit dem DIF ist für uns ein Meilenstein. Bei dieser Zusammenarbeit entstehen wertvolle Synergieeffekte: Das DIF teilt mit uns Ressourcen, über die wir sonst nicht verfügen, und umgekehrt. Nur auf diese Weise können wir Kontinuität herstellen. Wir könnten auch mit hundert Ärzten kommen – ohne eine lokale Organisation könnten wir nichts bewirken.
Welche gemeinsamen Ziele haben DIF und Medical Mission Network für die Zukunft?
Benita Caamal: Ich hoffe, dass wir unsere Arbeit noch ausweiten können. Wenn wir in einem Ort arbeiten, kommen oft Leute aus anderen Dörfern, auch von weiter entfernten, dorthin. Sie haben oft lange Strecken zu bewältigen, und dazu ist nicht jeder in der Lage: Denn die meisten haben keine Fahrzeuge. Wenn wir diese Leute in ihren eigenen Dörfern erreichen könnten, wäre das hervorragend. Ich hoffe einfach, dass irgendwann jeder die Hilfe bekommen kann, die er braucht. Wenn jemand in einem abgelegenen Dorf lebt und krank wird, kann er normalerweise keine Medikamente bekommen. Oft bekommen die Leute auch in den Gesundheitszentren keine Medikamente und wenden sich an das DIF, aber ohne Medical Mission Network könnten wir nicht helfen.
Dr. Juan Pablo Aguilar Mendoza: Ich denke, auf beiden Seiten gibt es den Wunsch, unbedingt weiter zusammenzuarbeiten. Natürlich kann sich diese Zusammenarbeit ändern, wenn sich die personelle Situation bei dem DIF ändert. Denn für uns ist es wesentlich, dass unser Code of Conduct respektiert wird und unsere Werte geteilt werden – so wie das beim DIF Bacalar unter der aktuellen Präsidentin der Fall ist. Beide Organisationen ergänzen einander und besonders schön ist es, dass die Zusammenarbeit auch auf menschlicher Ebene hervorragend funktioniert.
P. Bennet Tierney: Wir wollen unser Engagement noch ausweiten. Ich bin froh, dass wir mit dem DIF eine Organisation gefunden haben, mit der wir so gut zusammenarbeiten können. Was wir in Bacalar aufgebaut haben, unsere Kooperation hier, hat Modellcharakter, daran können wir uns auch in anderen Regionen orientieren. Wir arbeiten ja auch regelmäßig in Felipe Carrillo Puerto und haben schon Einsätze in Chiapas und Oaxaca organisiert. Unser gemeinsames Ziel ist es, eine kontinuierliche medizinische Versorgung für diejenigen anzubieten, die sonst keinen Zugang dazu haben. Dazu braucht man sehr viele personelle und materielle Mittel, und gemeinsam können wir das erreichen.