Am Sonntag sind die meisten Teilnehmer abgereist. Ein kleines Team von zehn Personen ist geblieben, um in die schwer zugänglichen Siedlungen im Dschungel zu fahren und auch dort medizinische Hilfe anzubieten. Zu erreichen sind diese über unbefestigte Wege, auf denen einem über lange Strecken kein Auto entgegenkommt. Man braucht viel Flexibilität, um an solchen Orten zu arbeiten – eine Flexibilität, die eine große Gruppe nur schwer aufbringen könnte: Dort angekommen, ist viel zu improvisieren.
Cristo Rey, wo wir am Montag arbeiteten, ist eine informelle Siedlung. Sie wurde auf einem Gelände errichtet, das der Landeigentümer nicht nutzt oder vielmehr: das zu bebauen ihm aus gesetzlichen Gründen bisher nicht erlaubt war. Die Einwohner, die sich dort ansiedelten, errichteten zuerst provisorische Behausungen, Hütten aus Wellblech und Pappe. Nach und nach kommen Häuser mit besserer Bausubstanz hinzu. Es gibt Geschäfte für den täglichen Bedarf, einen Versammlungsraum, eine Kirche und eine Schule, in der wir arbeiteten. In der Mittagshitze spielen nur einige Kinder im Freien, wenige Frauen arbeiten in ihren Gärten. Wie überall streunen wilde Hunde durchs Dorf. Die Transportmöglichkeiten für die Bewohner sind stark eingeschränkt. Sie sind oft lange unterwegs, um ihre Jobs in Playa del Carmen zu erreichen. Arbeit findet jeder in der florierenden Touristenmetropole, anständig vergütet wird diese jedoch meist nicht, an bezahlbarem Wohnraum mangelt es.
Wie es mit Siedlungen wie Cristo Rey oft weitergeht, erklärte mir Padre Higinio: Das Land gewinne an Wert, wenn sich viele Menschen dort ansiedelten. Außerdem bekomme der Eigentümer nun die Genehmigung, es zu erschließen und die Infrastruktur auszubauen. Wenn dies geschehen sei, würden die Armen, die dort ein Zuhause gefunden haben, oft vertrieben. Es ist schwer zu verstehen, wie manche Dinge hier funktionieren, aber es ist leicht zu erkennen, dass die Armen am Ende nie zu den Gewinnern gehören.
Eine Überraschung erlebten wir, als die erste Patientin sich an der Aufnahme anmeldete. Sie war schon vor zwei Wochen, an unserem ersten Einsatztag in Playa del Carmen, zu uns gekommen. Sie ist Diabetikerin und kam wieder, weil sie noch einmal ihre Werte kontrollieren lassen wollte.
Am Dienstag fuhren wir nach El Porvenir ("Die Zukunft"), einer entlegenen Siedlung tief im Dschungel. Noch besteht sie nur aus wenigen Hütten und Häusern ohne Strom und fließendes Wasser. Es ist vorhersehbar, dass sie wachsen wird. Um El Porvenir zu erreichen, muss man eine gut bewachte Schranke passieren. Zwei Wachmänner notieren die Namen aller Besucher. In vielen Städten werden die Viertel der Reichen bewacht, hier die Siedlungen der Armen. Denn das Land, auf dem sie leben, gehört ihnen nicht. Es ist Privatbesitz, und der Eigentümer entscheidet, wer Zugang hat. Die drei Ärzte in unserem Team behandelten rund 150 Patienten, sehr engagierte örtliche Helfer unterstützten uns. Besonders berührend ist es zu sehen, wie sehr sich die Menschen in den Einsatzorten bemühen, um uns die Arbeit so leicht wie möglich zu machen: Wir dürfen ihre Wohnräume benutzen, sie kochen für uns, umsorgen uns. Sie stellen uns alles zur Verfügung, was sie haben, und teilen mit uns, obwohl sie nur wenig besitzen.