Nachdem Medical Mission Network in Dörfern des mexikanischen Bundesstaats Quintana Roo eine kontinuierliche medizinische Versorgung für die verarmte Landbevölkerung aufgebaut hat, möchten wir mit unserem Konzept in andere Länder gehen. Unser nächstes Ziel ist Tansania. Schon vor einiger Zeit haben wir Kontakt zu den Heilig-Geist-Schwestern hergestellt, die dort ein Krankenhaus betreiben. Ein kleines Team war nun bei den Schwestern zu Besuch. In dem Interview erzählt Dr. Stefanie Schmücker, was sie dort erlebt hat und wie es mit dem Projekt weitergeht.
Was war dein erster Eindruck, als du in Tansania angekommen bist?
Dr. Stefanie Schmücker: Ich war überwältigt von der Herzlichkeit der Heilig-Geist-Schwestern. Wir wurden von der allerersten Sekunde an sehr freundlich in ihrer Mitte aufgenommen. Sie haben uns sogar mit Tanz und Gesang begrüßt – das hat uns alle sehr berührt. Wir sind zu viert dorthin gereist, Pater Bennet mit drei Ärztinnen, Dr. Norma Schwenzer aus Königstein, Dr. Ana Sofia Domit aus Mexiko und mir. Wir wurden am Kilimandscharo Airport abgeholt, von dort war es eine Stunde Fahrt zu dem Ort, wo die Schwestern leben, Sanya Juu. Wir haben dann bei ihnen gewohnt. Es war für mich eine komplett neue Erfahrung, direkt so intensiv an dem Alltag von Ordensschwestern teilhaben zu dürfen. Wir haben uns alle sehr wohlgefühlt. Einige der Schwestern sprechen sogar Deutsch, weil sie mal in Deutschland gelebt haben.
Und dann habt ihr erstmal die medizinische Infrastruktur besichtigt?
Dr. Stefanie Schmücker: Genau. Die Ordensschwestern, von denen viele ausgebildete Krankenschwestern sind, betreiben in Sanya Juu das Charlotte Hospital. Wir waren diesmal nur als Besucher da, um die Schwestern kennenzulernen und die Situation vor Ort zu erkunden. Das Charlotte Hospital ist ein kleines Krankenhaus, dort gibt es unter anderem eine Augen-Ambulanz, eine HIV-Ambulanz, eine größere Geburtsstation, einen einfachen Eingriffsraum und Zimmer für Patienten, die stationär aufgenommen werden müssen. Die Patienten kommen aus dem Dorf oder auch aus dem Massai-Gebiet. Neben den Schwestern arbeiten dort angestellte Ärzte. Leider fehlt es noch an medizinischen Basisgeräten wie etwa Monitoren oder Absauggeräten für Neugeborene. Ein Sonografiegerät war zwar vorhanden, aber leider stark veraltet. Wir möchten dem Krankenhaus in nächster Zeit einige Geräte finanzieren, die dringend notwendig sind.
Käme das Charlotte Hospital denn als Einsatzort für Medical Mission Network in Frage?
Dr. Stefanie Schmücker: Ja, auf alle Fälle. Wir waren aber außerdem noch in dem „Dispensary St. Hildegard“. Das ist eine Ambulanz mitten im Massai-Gebiet, benannt wurde sie nach Hildegard von Bingen. Vom Hospital aus fährt man 40 Minuten über eine holprige Piste dorthin – allerdings durch eine wunderbare Landschaft. Das Dispensary wird auch von den Heilig-Geist-Schwestern betrieben. Fünf Schwestern arbeiten dort, aber keine Ärzte. Das Gebäude ist neu und groß, aber es fehlt an Personal. Denn in dieser Gegend möchten sich keine Ärzte dauerhaft niederlassen. Dort würden wir bei unseren zukünftigen Einsätzen auch arbeiten. Die Einsätze werden von der Organisation her aber ganz anders ablaufen als in Mexiko.
Inwiefern?
Dr. Stefanie Schmücker: In Mexiko fahren wir jeden Tag in ein anderes Dorf und arbeiten in öffentlichen Gebäuden, meist in Gesundheitszentren. Die Patienten aus dem Dorf kommen dann dorthin. Die Massai leben aber gar nicht in Dörfern, sondern in ihrer Großfamilie in mehreren Bomahütten sehr weit über das Land verstreut. Sie leben polygam, ein Mann lebt oft mit sieben bis acht Frauen zusammen, die alle ihre eigenen Hütten haben. Wir müssten uns überlegen, wie wir zu ihnen hinkommen und wie wir die Zustimmung der Leader, also der anführenden Männer, bekommen, damit wir die Familien und vor allem auch die Frauen und Kinder behandeln dürfen. Aber solche Fragen werden sich erst in der Zukunft stellen. Für unseren ersten medizinischen Einsatz in Tansania haben wir schon eine konkrete Planung.
Wann wäre der Einsatz denn und wie sieht die Planung aus?
Dr. Stefanie Schmücker: Ein zweiwöchiger Einsatz soll im Februar 2023 stattfinden. Wir möchten gerne sowohl im Charlotte Hospital wie auch im Dispensary weit draußen im Massailand tätig werden. Der Schwerpunkt im Hospital wird auf dem Austausch mit den Ärzten liegen, das ist für uns eine spannende Erfahrung. Die Ärzte sind sehr daran interessiert, sich mit uns zu beraten und unsere Vorgehensweise kennenzulernen. Ich freue mich schon sehr darauf, denn unser Besuch in Tansania war für uns eine sehr beeindruckende Erfahrung.
Vielen Dank für das Gespräch!