Guadalupe und Lorena
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Die 26-jährige Guadalupe hat eine Arbeit gefunden, die ihr Freude macht: Sie ist Fotografin auf der Insel Cozumel, ihre Kunden sind Touristen, die von den großen Kreuzfahrtschiffen kommen.  An guten Tagen geht sie am Abend mit rund 20 Dollar nach Hause, erzählt sie. Das ist mehr, als viele andere hier verdienen. Guadalupe lebt allein mit ihrer fünfjährigen Tochter Lorena. Wenn sie arbeitet, bringt sie sie zu ihren Eltern.

Seit Lorena krank ist, hat sich vieles geändert. Lorena leidet an Epilepsie. Ihren ersten Anfall hatte sie an einem Sonntag, und Guadalupe suchte voller Panik nach einem Arzt, der ihr helfen könnte. Im staatlichen Gesundheitszentrum gab es keinen Notdienst, also ging sie mit Lorena in eine Privatklinik. Dort musste sie alles selbst bezahlen, aber sie hatte noch Erspartes. Der Arzt in der Privatklinik nahm das Geld, konnte ihr aber nicht helfen. Er verwies sie an einen Spezialisten in Merida. Dort musste Guadalupe mit Lorena drei Tage lang bleiben, und nicht nur die Kosten für den Arzttermin, Untersuchungen und Medikamente auftreiben, sondern auch die stundenlange Busfahrt und die Unterkunft bezahlen. Ihr Erspartes und das Einkommen der letzten Wochen reichten dafür nur knapp, ihre Eltern griffen Guadalupe unter die Arme.

Lorena geht es besser, seit sie in Merida Medikamente bekommt. Alle vier Monate muss Guadalupe mit ihr zur Kontrolle dorthin fahren. Um mit dem Arzt sprechen zu dürfen, muss sie 700 Pesos bezahlen, also rund 43 Euro. Hinzu kommen jedes Mal die Untersuchungen, Medikamente, Fahrt und Unterkunft. Guadalupes Eltern haben ihr Erspartes bereits verbraucht, doch sie geben ihr alles, was ihnen noch bleibt. Guadalupe arbeitet bis zur Erschöpfung. Sie weiß nicht, wie lange sie das noch aushält, doch für sie zählt nur Lorena.

Ein paar Wochen, bevor wir nach Cozumel kamen, ging Guadalupe mit Lorena ins Gesundheitszentrum, weil sie in letzter Zeit oft müde war. Dort wurde ihr gesagt, dass Lorena möglicherweise auch einen Herzfehler hat. Die Diagnose bestätigen müsse jedoch ein Spezialist in Merida oder Mexiko-Stadt. „Ich hatte dafür aber kein Geld mehr“, erzählt Guadalupe. Sie sei verzweifelt gewesen, weil sie nicht wusste, wie sie Lorena noch helfen könnte. Als sie hörte, dass unser Team nach Cozumel kommt, schöpfte sie wieder Hoffnung. Sie ging in die Sprechstunde des mexikanischen Arztes Dr. Carlos Martinez Rocha, der sich auf Kardiologie spezialisiert hat. Er untersuchte Lorena und wird sie weiter betreuen.

Wir konnten Guadalupe und Lorena also helfen. Eine andere Möglichkeit gab es für die beiden jedoch nicht. Denn wer hier krank wird und kein Geld hat, kann sich nur an eines der staatlichen Gesundheitszentren wenden, die sich in vielen Dörfern finden. Diese sollen der ärmeren Bevölkerung eine medizinische Grundversorgung gewährleisten. Doch sie können ihren eigenen Anspruch nicht erfüllen. „Es gibt einfach überall einen großen Mangel“, erzählt die 34-jährige Maria. Sie ist Krankenschwester und arbeitet in einem Gesundheitszentrum. Sie kam in Felipe Carrillo Puerto als Patientin zu uns, was uns zunächst nicht wenig erstaunte: Man vermutet schließlich zunächst, dass eine Krankenschwester Zugang zu medizinischer Versorgung hat. Maria kennt die Schwächen und Tücken des mexikanischen Gesundheitssystems genau. Zwar könne man im Gesundheitszentrum mit einem Arzt sprechen, bei Medikamenten herrschten aber regelmäßig Engpässe. Am schlimmsten sei es, wenn man einen Spezialisten bräuchte: Um in die Sprechstunde gehen zu können, müsse man oft schon rund 900 Pesos bezahlen – das sind derzeit etwa 55 Euro. Zwar möchte der Staat auch der ärmeren Bevölkerung eine Möglichkeit geben, kostenlos Spezialisten aufzusuchen. Doch verhindert wird dies durch Ärztemangel in den strukturschwachen ländlichen Gegenden, untragbar lange Wartezeiten und eine überbordende Bürokratie. „Es wird zwar versprochen, aber praktisch ist es unmöglich“, erklärt Maria. Und eine Untersuchung bei einem Spezialisten könne, wie sie erläutert, schnell 5000 Pesos kosten.

Dass der 32-jährige Familienvater Jorge jemals einen so teuren Spezialisten bezahlen kann, ist für ihn fast so unwahrscheinlich wie ein Lottogewinn. Er arbeitet in einem Hotel und ist froh, dass er seine Frau und seine beiden Kinder versorgen kann. Denn Arbeit zu finden ist schwer, vor allem abseits der Touristenzentren. Jorge erzählt, dass er am Tag 170 Pesos verdient, also rund 10,50 Euro. Etwa 100 Pesos muss er täglich allein für Lebensmittel aufwenden. Das Geld reicht nur für das Allernötigste.

Der Mangel an Ärzten, an Spezialisten, ist sicher eines der größten Probleme dieser Region. Auf dem Land sollte man besser nicht krank werden: Dieses Fazit muss man wohl ziehen. Unser Ziel ist es, die Lage hier zu verbessern und den Menschen Zugang zu medizinischer Versorgung zu gewährleisten. Es gibt noch viel zu tun.