Christian Axmann ist zum ersten Mal bei einem unserer Einsätze dabei. Als Unternehmensberater ist er beruflich viel unterwegs. Dennoch macht er hier viele ungewohnte Erfahrungen. In einem Gespräch erzählt er von seiner Motivation, seinen Eindrücken und seinem Glauben.
„Christian, mit welchen Erwartungen bist du nach Mexiko gereist?"
„Ich hatte gar keine genaue Vorstellung. Erst hier hat sich entschieden, welche Aufgaben ich übernehme. Zuerst dachte ich, ich würde nur übersetzen, denn ich bin in Spanien aufgewachsen. Nun bin ich Mädchen für alles: Ich kümmere mich um die Organisation und Zeitplanung, die Budgetplanung, die Finanzen und um die Einteilung der Mitarbeiter. Außerdem durfte ich schon die Qualität der medizinischen Behandlung hier testen, das allerdings nicht ganz freiwillig."
„Was ist passiert?"
„Ich habe mir schon am zweiten Tag den Fuß angeschlagen. Dr. Egervári hat mich sehr gut verarztet. "
„Ich hoffe, daß das deiner Freude an der Arbeit keinen Abbruch getan hat. Warum bist du mitgekommen? Wie hattest du von uns erfahren?"
„In Frankfurt hatte ich Pater Bennet kennengelernt. Er hat mir von den Medical Missions erzählt und mich überzeugt mitzukommen. Ich kann den Einsatz außerdem gut mit einer dreimonatigen Auszeit verbinden, die ich jetzt beginne."
„Was fällt dir hier besonders auf?"
„Mir fällt auf, wie entspannt die Leute im Team sind, trotz der hohen Arbeitsbelastung unter schwierigen Umständen. Es gelingt uns, mit geringen finanziellen Mitteln einen zweiwöchigen Einsatz zu finanzieren. Nicht zuletzt, weil alle Teilnehmer ihre Reisekosten selbst tragen und die Spendengelder auf diese Weise ganz für Medikamente eingesetzt werden können. Mir fällt auch auf, dass alle strukturiert und effizient arbeiten. Selbst in schwierigen Situationen pendelt sich unsere Arbeit innerhalb kürzester Zeit ein, ohne blinden Aktionismus. Ich finde es angenehm, daß es in der Gruppe keine Selbstinszenierungen gibt und niemand versucht, der Star zu sein."
„Was bedeutet dein Einsatz persönlich für dich?"
„Es ist ein Ausgleich zu meinem Alltag. Außerdem kann ich hier leichter herausfinden, was für mich selbst wichtig ist. Daher hilft mir die Zeit hier auch, über meine eigenen Ziele Klarheit zu gewinnen, also darüber, wie ich mich beruflich weiterentwickeln möchte. Aber eigentlich klingt das jetzt zu egoistisch: Ich rede von mir, dabei geht es gar nicht um mich selbst. Der Hauptgrund ist ein anderer: Ich möchte mit meiner Arbeit Christus dienen. Das ist das Wichtigste."
"Dann ist der Glaube für dich sehr wichtig?"
„Ja. Wenn ich die Dinge in meinem Leben priorisiere, dann sollte Gott an erster Stelle stehen, gefolgt von der Familie und der Arbeit. Allerdings kann man das im Alltag nicht immer umsetzen, weil die Arbeit mit Abstand die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Aber erst der Glaube gibt meinem Leben Bedeutung. Gott zeigt uns Wege auf, aber was bringt das, wenn wir nicht mitlaufen wollen? Vielleicht kann man das Leben als eine Reise betrachten. Wenn man die falschen Ziele verfolgt, landet man schnell in einer Sackgasse."
"Was ist das richtige Ziel?"
„Auch wenn es für manche heute merkwürdig klingen mag: Das Ziel für jeden sollte sein, Gott zu suchen und zu finden. Solange man jung, gesund und erfolgreich ist, kann man sich vormachen, daß man sein Leben fest in der Hand hat und es selbst gestalten kann. Doch spätestens wenn man krank ist, erkennt man, wie verletzlich man ist und wie schnell alles vorbei sein kann. Man sieht, daß der Mensch winzig klein ist und ohne Gott nichts bewirken kann. Die Arbeit hier hilft mir dabei, mir dessen bewußt zu werden."
"Was tust du, um Gott zu finden?"
„Zeit mit ihm verbringen, mit ihm sprechen - zumindest versuche ich das. Gott zeigt sich in der Nächstenliebe und auch in der Demut. Es ist wichtig, Demut zu erlernen, denn das ist ein Weg, Gott zu finden."
"Demut - das Wort klingt heute fast altmodisch. Wie definierst du Demut?"
„Demut bedeutet für mich, sich selbst aufzugeben und dem Nächsten zu dienen. Das kann man auf unserem Einsatz einüben. Denn die Arbeit ist wirklich ein Knochenjob, nichts für zarte Bürohände. Eigentlich ist man nach jedem Einsatztag ‚fertig‘ und fühlt sich total erledigt, auch wenn die Arbeit selbst viel Freude macht. Bei der Arbeit kommt dann auch die Ernüchterung, daß man vieles nicht unter Kontrolle hat. Normalerweise steuern wir unsere Zeit, unsere Ressourcen, die Produkte, die wir den Kunden liefern ... So einfach geht das hier nicht. Denn es gibt hier viele Einflußgrößen, die wir nicht in der Hand haben. Wir müssen uns mit dem begnügen, was wir vorfinden, und uns den Umständen anpassen. Auch das kann helfen, demütig zu werden: dieses Bewußtsein, ausgeliefert zu sein und ohne Gott nichts erreichen zu können. Es hilft zu erkennen, daß der Egoismus unterdrückt werden muss. Erst dann kann man sich Gottes Liebe hingeben in allem, was man tut."
„Was nimmst du sonst noch mit von dieser Reise?"
„Dankbarkeit, dabei gewesen sein zu dürfen. Die Freude darüber, einen kleinen Beitrag geleistet zu haben. Eine Flasche Tequila, vielleicht auch zwei."