Die Regeln der Kommunikation unterscheiden sich von Kultur zu Kultur. Das zeigt sich auch im Arzt-Patienten-Gespräch: Verständigungsprobleme und Missverständnisse können leicht auftreten, Reaktionen werden falsch interpretiert, ohne Absicht wird etwas Verletzendes geäußert. Umso wichtiger ist es bei unseren Einsätzen, dass wir die Grundregeln der Kommunikation, die in der Kultur der Maya herrschen, verstehen und auch unsere eigenen Gesprächstechniken reflektieren.
Direkte und indirekte Kommunikation
Die Deutschen kommunizieren im Vergleich zu vielen anderen Kulturen sehr direkt. Man drückt die eigenen Absichten oft ohne Umschweife sprachlich aus und was zählt, ist das gesprochene Wort. In vielen anderen Kulturen gilt zu viel Direktheit als unhöflich. Das ist auch in der Maya-Kultur so. Dort spielen der Kontext und nonverbale Elemente eine bedeutende Rolle: Wie und in welcher Situation wird etwas gesagt? Mit welcher Gestik und Mimik? Ein eingeweihter Gesprächspartner versteht genau, welche zusätzlichen Informationen neben dem gesprochenen Wort auf diese Weise vermittelt werden und ob sie eventuell sogar wichtiger sind als das Gesagte. Wer direkte Kommunikation gewohnt ist, hat aber Schwierigkeiten, die Bedeutung zu entschlüsseln.
Ein Nein ist unhöflich
Es gibt keine direktere Antwort als ein Nein. Kein Wunder also, dass die Maya dieses gerne vermeiden. Ein direktes „Nein“ wird in Deutschland gewöhnlich nicht als Beleidigung aufgefasst, doch den Maya kommt es oft nur schwer über die Lippen – zumal einem Arzt gegenüber, der als Autorität aufgefasst wird. Denn im Nein schwingt immer auch Zurückweisung mit. So kann es vorkommen, dass Patienten auch dann mit Ja antworten, wenn sie Nein meinen – z. B. auf die Frage, ob sie auch Halsschmerzen haben. „Ja-nein“-Fragen können im Arzt-Patienten-Gespräch also eine Hürde sein. Zuverlässigere Informationen erhält man durch offenere Fragen.
Wiederholungen
Der Arzt stellt eine Frage, der Patient antwortet, es folgt eine andere Frage: Diese Vorgehensweise sind deutsche Patienten gewöhnt. Sie können auch davon ausgehen, dass der Arzt eine Information beim ersten Hören ausreichend zur Kenntnis nimmt. Doch bei den Maya funktioniert Kommunikation anders: Das Wichtige wird wiederholt und auf diese Weise bekräftigt. Ein Beispiel: Ein Patient teilt mit, dass er Schmerzen im linken Auge hat. Der Arzt stellt eine weiterführende Frage, etwa, ob er auch Kopfschmerzen hat, lichtempfindlich ist etc. Doch der Patient geht dann vielleicht gar nicht darauf ein, sondern wiederholt, vielleicht noch mehrmals, dass er Schmerzen im linken Auge hat. Der Arzt wundert sich, hat den Eindruck, dass das Gespräch stagniert. Der Patient hingegen fühlt sich verunsichert, wenn der Arzt nahtlos zur nächsten Frage übergeht: Womöglich hat er ihn nicht verstanden? Sieht nicht, dass das wichtig ist? Helfen kann es, wenn der Arzt die Information, die der Patient ihm gibt, zusammenfasst und selbst wiederholt.
Ausführlichkeit
Vielen Patienten fällt es schwer, in wenigen Worten isolierte Informationen zu geben. Ohne Umschweife kurze Fragen zu stellen – das ist eher unüblich. Oft wollen Patienten dann, ausgehend von einer kurzen Frage des Arztes, noch viele weitere Umstände beschreiben. Sie erwarten Anteilnahme, können sich nicht vorstellen, dass sie nur über ihre Beschwerden reden sollen und so vieles, was ihnen wichtig ist, aus dem Gespräch ausgeklammert wird. Diese Kommunikationssituation ist nicht leicht zu bewältigen: Oft warten noch viele andere Patienten, die Zeit ist begrenzt, und wenn man den Patienten einfach reden lässt, ufert es leicht aus. Wenn man ihn zu früh unterbricht, könnte er sich dagegen verletzt und nicht verstanden fühlen.
Die Sprachbarriere überwinden
Oft verwechseln Patienten z. B. die Namen der Körperteile. Bei den Maya kann man nicht voraussetzen, dass sie gute spanische Spanischkenntnisse haben. Die Gestik der Patienten verrät dann oft mehr: Wenn sie sagen, dass ihnen ein Körperteil schmerzt, zeigen die allermeisten direkt darauf.
Kein Wissen voraussetzen
Die Patienten in den Maya-Dörfern verfügen meist über sehr wenig medizinisches Wissen. Es gibt nichts, was man voraussetzen darf. Gleichzeitig haben sie oft Hemmungen nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehen, weil sie das als respektlos dem Arzt gegenüber empfinden würden. Wenn die Informationen wirklich ankommen und verstanden werden sollen, hilft es, im Gespräch langsam vorzugehen, das Gesagte zu wiederholen und vom Patienten wiederholen zu lassen.
Es ist nicht leicht, die Kommunikationsregeln einer anderen Kultur zu verstehen. Doch Geduld und Gelassenheit helfen. Den Patienten soll es subjektiv und objektiv besser gehen – und gute Kommunikation kann dazu beitragen.
Für unsere Patienten ist ein Arztbesuch etwas Seltenes und Wertvolles. Meist kommen sie in ihrer besten Kleidung, wirken anfangs verschlossen und etwas nervös. Sie sind es gewohnt, in der Gesellschaft benachteiligt zu werden und sogar um das Lebensnotwendige zu kämpfen. Dass ein Arzt sie ernstnimmt, sich ihnen wirklich zuwendet und ihre Anliegen für wichtig hält, ist für die meisten eine neue Erfahrung. Natürlich steht medizinische Hilfe bei den Einsätzen im Vordergrund. Doch wir wollen den Patienten auch zeigen, wie sehr wir sie als Menschen wichtig nehmen. Gute Kommunikation trägt dazu bei.