Die traditionelle Küche Mexikos wurde 2010 von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe ernannt. In den Städten und Dörfern Quintana Roos, in Restaurants und an Straßenständen, ist die alte Kochkunst der Maya noch lebendig. Serviert werden Spezialitäten wie Sopa de lima (Hühnersuppe mit Limette), Queso relleno (mit Hackfleisch gefüllter Käse) oder Marquesitas (mit Käse gefüllte Crêpes).
Dennoch: Die traditionelle mexikanische Esskultur verliert an Bedeutung. Die Globalisierung der Nahrungsmittel geht selbst an Dschungeldörfern nicht vorbei. Fertiggerichte und Junkfood sind beliebt, ebenso wie Cola und Limonade, die man in jedem Dorf – oft sogar in 2,5-Liter-Flaschen – in den kleinen Abarrotes bekommt, Lebensmittelgeschäften, die neben Getränken vor allem Süßigkeiten, Knabbereien und einige Grundnahrungsmittel verkaufen. Das Risiko für Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes steigt seit den 90er Jahren rapide an, daneben zeigen sich die Folgen einer einseitigen Ernährung: eine Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen.
Erstaunlich erscheint dies, weil der Reichtum der Natur in Quintana Roo für eine gesunde Ernährungsweise eigentlich beste Voraussetzungen bietet – Früchte wie Orangen, Ananas, Mangos und Bananen wachsen in jedem Garten. Doch bezeichnend ist das Bild, das man in vielen Dörfern sieht: an den Straßenrändern, neben den Häusern und in den Gärten sieht man leere Colaflaschen, die weggeworfen wurden, neben verfaulenden Früchten, die nicht gegessen wurden.
Obst, obwohl reichlich vorhanden, steht nur selten auf dem Ernährungsplan der Menschen in den Dörfern. Ein Grund dafür: Die meisten Menschen leben dort von harter Feldarbeit. Obst und Gemüse geben ihnen dafür nicht genug Energie und machen nicht satt, sagen sie, wenn man sie nach ihren Ernährungsgewohnheiten befragt. Früchte sind für sie also nicht besonders attraktiv. Eine Ananas stillt nicht lange den Hunger, aber man kann versuchen, sie für 50 Pesos auf dem Markt zu verkaufen. Für 50 Pesos bekommt man genug Mais für die ganze Familie, ein Kilo Reis bekommt man schon für 10 Pesos. Wer mit Feldarbeit sonst nur 80 Pesos am Tag verdient und von der Hand in den Mund lebt, muss vor allem den täglichen Bedarf sichern. So hat die Ananas zwar einen Wert als Handelsgut, wird als Nahrungsmittel aber kaum in Betracht gezogen. Den Großteil der täglichen Energiezufuhr sichern Mais, Reis und Bohnen, wenn Fleisch auf den Tisch kommt, ist es vor allem Hühnchen.
Neben den harten Lebensbedingungen beeinflusst auch der kulturelle Wandel das Ernährungsverhalten der Menschen. Die internationalen Lebensmittelkonzerne breiten sich immer weiter aus. Ihre Produkte werden überall beworben, und die LKWs der Getränkeproduzenten kommen bis in den Dschungel hinein. Softdrinks und Fertiggerichte, Marken wie Coca Cola und McDonalds, gehören zum Lebensstil westlicher Gesellschaften. Dieser verbreitet sich immer mehr auch in Regionen, deren Einwohner noch vor 20 Jahren ein traditionelles Leben führten. Westliche Marken wie Coca Cola und McDonalds stehen hier für Wohlstand, Modernität, Fortschritt. Eine Coladose in der Hand – für einen Jungen aus einem Dschungeldorf kann sie sogar zu einem Statussymbol werden.
Die Folgen liegen auf der Hand: Wer die Wahl hat, greift zu westlichen Nahrungsmitteln. Doch die Möglichkeit zu wählen, haben die meisten Menschen in den Dörfern nicht, da das Angebot an Lebensmitteln dort beschränkt ist. Für sie geht es vor allem darum, satt zu werden und genug Kraft für die Arbeit zu haben. Um entscheiden zu können, was man isst, braucht man Geld, die Wahl zu haben ist ein Wohlstandssymptom. Und selbst wenn man zu ein wenig Wohlstand gekommen ist, braucht man ein weiteres Privileg, um gute Entscheidungen treffen können: Wissen. Wie wichtig gesunde Ernährung ist, ist den Menschen in den Dörfern von Quintana Roo selten bewusst.
Dass man in westlichen Wohlstandsgesellschaften Ernährungstrends wie Raw Food, Veganismus, Paleo-Ernährung oder Clean Eating anhängt – das würde hier nur Verwunderung hervorrufen. Denn der bewusste Verzicht auf bestimmte Lebensmittel setzt voraus, dass man die Wahl hat. Man sollte daher nicht vergessen: Wer Ernährung zum Lebensstil machen kann, hat sehr viel Glück gehabt und ist in erster Linie privilegiert.