Dr. Stefanie Schmücker ist Fachärztin für Innere Medizin und arbeitet im Karl-Olga-Krankenhaus in Stuttgart. 2017 haben sie und ihr Verlobter, der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg Dr. Dr. Marc Bitschi, zum ersten Mal an einem Einsatz von Medical Mission Network teilgenommen. Dieses Jahr im Februar war Stefanie zum zweiten Mal dabei. In dem Interview berichtet sie von ihren Erfahrungen.
Medical Mission Network: Was ist für dich das Besondere an unseren Einsätzen?
Dr. Stefanie Schmücker: Das Besondere ist für mich die Zusammenarbeit in der Gruppe. Wir – also einheimische und internationale Teilnehmer – gehen gemeinsam in die Dörfer und können als Gruppe etwas erreichen. Dabei entsteht viel Gemeinschaftsgefühl. Toll finde ich es auch, dass es keine einmalige Sache ist: Es gibt immer wieder Einsätze, an denen man teilnehmen kann. Das ist anders als bei meinen früheren Einsätzen … Und besonders gefällt mir dann noch der intensive Kontakt zur indigenen Bevölkerung.
Medical Mission Network: Du hattest vorher schon bei medizinischen Hilfseinsätzen mitgemacht bzw. diese sogar organisiert. Wie lief das ab? Was war da anders?
Dr. Stefanie Schmücker: Ich habe medizinische Einsätze in Peru und in Tansania, bei den Massai, gemacht. Eigentlich wusste ich schon früh in meinem Leben, dass ich solch einer Tätigkeit nachgehen möchte, deshalb habe ich ein Jahr meines Medizinstudiums in Spanien verbracht und mein chirurgisches PJ-Tertial im argentinischen Cordoba gemacht. Weil Mittel- und Südamerika Marc und mich faszinieren, führten uns zahlreiche Reisen in diese Länder. Dabei hat uns immer die indigene Bevölkerung besonders interessiert. 2013 waren Marc und ich dann erstmals gemeinsam als Ärzte in Ccorhuillca in der Nähe von Ayacucho im Andenhochland von Peru tätig. Dort haben wir in einem kleinen Gesundheitszentrum gearbeitet: Das war eigentlich nur ein kleines Häuschen, wir waren die einzigen Ärzte dort und haben alle Patienten behandelt, die wir behandeln konnten. Wir haben da mit den Menschen gelebt, das hat uns sehr viel gegeben und tiefe Einblicke in Ihre Lebensweise vermittelt. 2015 waren wir bei den Massai in Tansania im Lutheran Hospital in Orkesumet tätig, einem größeren Ort im Massailand. Auch hier durften wir zahlreiche prägende Erfahrungen machen und waren den Menschen sehr dankbar, dass sie uns so sehr an ihrem Leben teilhaben ließen. Die Kontakte haben wir immer über eine Organisation bekommen, aber vor Ort waren Marc und ich dann nur unter Einheimischen und konnten so sehr intensiv ihren Alltag kennenlernen. Diese Einsätze habe ich vorbereitet, das war sehr viel Arbeit. Mit Medical Mission Network ist es für mich viel einfacher, weil alles schon vorbereitet ist. Auch was die Ausstattung betrifft, haben wir hier ganz andere Möglichkeiten. Und es ist ein ganz anderes Gefühl, wenn man sich gemeinsam mit einer Gruppe bewegt, in die Dörfer geht … Die Gruppe gibt einem viel Energie.
Medical Mission Network: Was fällt dir hier an deiner Arbeit besonders auf?
Dr. Stefanie Schmücker: Die Menschen beeindrucken mich immer sehr, gerade die Begegnungen mit der indigenen Bevölkerung geben mir immer sehr viel. Sie sind so herzlich, freuen sich auch über kleine Dinge – selbst wenn man nur mit ihnen redet. Deshalb versuche ich auch, Maya zu lernen, denn sie freuen sich schon, wenn man ein paar Sätze Maya spricht. Das ist eine Bereicherung auf der menschlichen Seite. Da können wir für unsere westliche Welt immer sehr viel mitnehmen.
Auf der medizinischen Seite muss man damit rechnen, dass viele Patienten lange keinen Arzt gesehen haben. Dies war vor allem bei meinem ersten Einsatz 2017 spürbar. Dieses Jahr ist bereits eine Verbesserung zu erkennen. Das liegt daran, dass das mexikanische Ärzteteam von Medical Mission Network kontinuierlich in der Region tätig ist. Über diesen Erfolg freue ich mich sehr!
Ansonsten sind hier Wurmerkrankungen sehr weit verbreitet. Auch sehen wir viele urogenitale Infektionen aufgrund der Lebensumstände mit u. a. sehr schlechten hygienischen Bedingungen. Aufgrund der Ernährung treten viele Gallensteinprobleme auf, weil die Leute sehr fettig essen. Von der harten Feldarbeit, die die Menschen hier verrichten müssen, haben sie muskulär-skelettale Beschwerden.
Das Behandlungsspektrum ist für mich sehr spannend, weil ich mich für Infektiologie interessiere – viele Erkrankungen kennen wir in Deutschland in dieser Form nicht.
Medical Mission Network: Wo siehst du bei unserer Arbeit Verbesserungsmöglichkeiten?
Dr. Stefanie Schmücker: Mir ist dieses Jahr aufgefallen, dass die Frauen viel offener sind und mehr erzählen, wenn es abgetrennte Untersuchungsbereiche gibt. Wir sollten verstärkt darauf achten, dass wir für die Patienten wirklich abgeschirmte Bereiche schaffen. Auch wenn mehrere Ärzte in einem Raum arbeiten, gibt es ja immer die Möglichkeit, zum Beispiel mit Laken Trennwände herzustellen.
Medical Mission Network: Du bist selbst nicht katholisch. Wie ist es für dich, mit einer katholischen Gruppe unterwegs zu sein?
Dr. Stefanie Schmücker: Auch wenn ich nicht katholisch bin, leben wir sicher dieselben Werte, es geht ja um Nächstenliebe. Deshalb finde ich das alles hier auch für mich vereinbar, und es wird ja auch nicht verlangt, dass man katholisch oder evangelisch ist. Es gefällt mir sowieso, dass man hier als Teilnehmer viel Freiheit hat, sich aber auch einbringen kann und die Gruppe so offen ist. Es wird nicht gesagt: Ihr müsst zwei Wochen bleiben oder dieses oder jenes auf eine bestimmte Art und Weise machen. Denn einen zweiwöchigen Einsatz kann man ja nicht immer einplanen. Und die unterschiedlichen Menschen, die wir getroffen haben, nicht nur in den Dörfern, sondern auch in der Gruppe, waren für mich sehr inspirierend.