Als wir am Montag in Bacalar arbeiteten, warteten schon am Morgen rund 100 Patienten auf uns. Ich ging durch die Reihen und schoss ein paar Fotos, da sprach mich Miguel an. Er wollte die Gelegenheit nutzen, Englisch zu sprechen.
Ob mir Bacalar gefalle, wollte er wissen. Er habe schon immer dort gelebt, erzählt er. Es sei ein kleiner, ruhiger Ort, nicht so wie Cancún. Hier könne man gut Urlaub machen. Viele Leute würden in Hotels oder Restaurants arbeiten, erklärt er und fügt hinzu: „Für mich hat hier aber niemand einen Job.“ Miguel ist seit seiner Geburt an beiden Beinen gelähmt. Arbeit gibt es in Bacalar vor allem im Tourismus oder in der Landwirtschaft. Wer jung und gesund ist, kann dort seinen Lebensunterhalt verdienen, und zwar oft mit körperlich sehr anstrengenden Tätigkeiten. „Hier gibt es keine Unternehmen, die jemanden einstellen“, erklärt er und ergänzt: „Ich bin aber mein eigener Chef.“
Miguel stellt Schmuck her. Aus Muscheln, Holz und Steinen, Ohrringe und Anhänger, sehr fein gearbeitet. In einem Geschäft in Bacalar darf er seine Ware auslegen. Seine Schmuckstücke kosten 100 bis 150 Pesos, beim derzeitigen Wechselkurs sind das rund 5 bis 8 Euro. Wie das Geschäft läuft, möchte ich wissen. Natürlich würde er gerne mehr verdienen, sagt er, aber er komme über die Runden. Seine Kunden seien vor allem Touristen. Er lacht und fügt hinzu: Es ist wichtig, sich selbst Arbeit zu suchen, wenn man keine hat.
Der touristische Aufschwung, den Quintana Roo seit rund 40 Jahren erlebt, hat sich gerade für die Landbevölkerung oft als zwiespältig erwiesen: Zwar entstanden neue Arbeitsplätze, doch sind diese meist schlecht bezahlt. Die Dörfer verwaisen, weil es alle in die Touristenzentren zieht, und der Zusammenhalt verschlechtert sich. Miguels Beispiel zeigt aber, wie sich solche wirtschaftlichen Entwicklungen positiv auf das Leben Einzelner auswirken können. Ohne den Tourismus würde seine kleine Schmuckwerkstatt sicher nicht überleben. So schafft Miguel es aber, mit der Arbeit seiner Hände sein Auskommen zu sichern.