Zwölf Flugstunden trennen Frankfurt von Playa del Carmen, unserem Treffpunkt und ersten Einsatzort. Playa del Carmen ist eine der Touristenstädte, die an Mexikos Karibikküste in den letzten dreißig Jahren hochgezogen wurden. Die Quinta, die berühmte Einkaufsstraße, ist überlaufen, Geschäft reiht sich an Geschäft, die Lockrufe der Verkäufer reißen nie ab.
Einer bietet einen Tagesausflug zu der Insel Cozumel an, ein anderer verkauft Sombreros und Sonnenbrillen, der dritte posiert mit einem Löwenbaby, mit dem man sich fotografieren lassen kann. Nachts spielt lange die Musik, man amüsiert sich in dieser Stadt. Allein die weiße Kapelle, direkt am Strand, umgeben von Geschäften und Restaurants, sticht hervor. Eine Frau betritt die Kapelle, an der Hand hält sie ein kleines Mädchen. Die Kleine ist von oben bis unten ausstaffiert, sie trägt ein glänzendes rosa Prinzessinnenkleid, die Hände stecken in Satinhandschuhen. In der Messe soll die Kleine der Gemeinde vorgestellt werden – ein Brauch, der mir unbekannt ist. Mir fällt auf, wie viele Mexikaner sich bekreuzigen, wenn sie an der Kapelle vorbeigehen.
Am Sonntag erholen wir uns von dem langen Flug, versuchen, einander kennenzulernen und aus unserer zusammengewürfelten Gruppe ein Team zu formen. Man hört in vielen Gesprächen spanische, englische und deutsche Wortfetzen; die Teilnehmer, Ärzte, Krankenschwestern und Helfer, kommen diesmal aus Deutschland, Irland, England, Mexiko, Spanien und den Vereinigten Staaten. Der mexikanische Winter ist gewöhnlich heiß, doch es ist diesmal kühler als in den letzten Jahren, nur wenige Touristen zieht es an den Strand. Einige von uns erkunden zum ersten Mal die Umgebung. Es ist allerdings offensichtlich, dass man in einer Touristenstadt wie Playa del Carmen nicht erfahren kann, wie die Menschen wirklich leben, was sie bewegt und wer sie sind.
Doch dafür müssen wir nicht weit reisen. Am Montag, unserem ersten Einsatztag, arbeiten wir in einem ärmlichen Viertel am Rande der Stadt. Nur wenige Kilometer vom Strand entfernt betritt man eine andere Welt. Häuser, die nie fertig gebaut wurden und schon verfallen, Bauschutt im Vorgarten, alles wirkt trostlos. Die Menschen hier sind sehr offen, freundlich und hilfsbereit. Für uns Fremde haben sie immer ein Lächeln übrig.